Geschichte

    Copyright © Kristin Oberhauser

    Der Ardennentreibhund wird in seiner Heimat den belgischen Ardennen seit Menschengedenken „Bouvier“ genannt. Das französische Wort Bouvier bedeutet Kuhtreiber und beschreibt die Verwendung der Hunde als Bewacher und Treiber der zahlreichen Milchkuhherden des kargen Landstrichs. Es wurde ausschließlich Wert auf die Gebrauchstüchtigkeit der Hunde gelegt. Die von Armut gezeichnete Gegend konnte sich keinen unnützen Fresser leisten. Das raue Klima, seine schwere Arbeit sowie das schroffe Gelände haben einen derben und leistungsfähigen Hund geformt.

    [Quelle unbekannt: "Im Osten Frankreichs, an der belgischen und deutschen Grenze in den verkehrsarmen bewaldeten Gebirgsstrecken der Ardennen und Argonnen, bis in den Wasgenwald hinunterreichend, aber auch nach Belgien und Deutschland übergreifend, findet sich noch ein schwerer, schon im Gebäude als Gebirgsschlag kenntlicher, oft stummelschwänziger Hund, der als Ardenner Schlag bezeichnet wird. Im Departement der Haute-Marne ist dieser Hund seiner Schärfe halber als Saupacker beliebt. Die Ardenner und die Picardie-Hunde, meißt aber wohl die noch kräftigeren rauhhaarigen Treibhunde (Bouviers) wurde an der belgisch-französischen Grenze stark im Schmuggeldienst verwendet; sie liefen nachts, die zu paschenden Waren um den Leib gewickelt oder in anderer Weise befestigt, ohne Begleiter, Menschen vorsichtig ausweichend, sicher von Grenzdorf zu Grenzdorf, wo sie beim Abnehmen guter Behandlung und Verpflegung sicher waren. Zur Bekämpfung dieses Schmuggels bildeten die Grenzbeamten dann gleichfalls Hunde aus, die ihnen die Schmuggelhunde zutreiben sollten. Im übrigen dienen die Schäferhunde in Frankreich den gleichen Zwecken wie bei uns: Herdendienst, Hof-(...)"]

    Seit dem 19.Jahrhundert wurden die Hunde gerne von den Bauern zur Jagd des Adels auf Hirsche und Wildschweine mitgenommen, denn die Hunde erhielten einen wesentlich höheren Treiberlohn als ihre Besitzer. Während der beiden Weltkriege half der zuverlässige Hund den Wilderern bei der Nahrungsbeschaffung. Besonders die dunkel gestromten Exemplare waren deshalb recht beliebt. Am Ende des 19.Jahrhunderts sah der Bouvier des Ardennes einem rauhaarigen Schäferhund (Laekenois) ähnlich, war aber kräftiger, stämmiger und beißfreudiger. Im letzten Jahrhundert wurde er schließlich auch zum Treiben von Schweinen und Pferden eigesetzt.

    Fotokopie: Yves Dambrain

    Um einen Überblick über die Population von belgischen Rindertreibhunden zu bekommen, wurden auf belgischen Ausstellungen Klassen für Treibhunde eingerichtet. Am 1.Juli 1900 waren auf der Landwirtschaftlichen Messe in Hasselt erstmals belgische Kuhhunde zu sehen. In der Jagd– und Fischereizeitschrift Chasse et Peche äußert  sich Prof. Reul (Inspektor des Tierzuchtausschusses der belgischen Kynologie; Prof. an der Fakultät für Veterinärwesen in Curegham) am 29.Juli 1900 enttäuscht über die vier Exemplare: „Diese Ausstellung war nicht das was wir uns im Bereich der Kuhhunde erwarteten.“ Während einer Ausstellung des Kynologischen Club in Lüttich am 27.April 1901 stellte Prof. Reul fest: „Die Vereinheitlichung der Kuhhunde im Hinblick auf die Schaffung einer neuen belgischen Rasse bleibt chaotisch.“ Am 27.April 1903, entdeckte Prof. Reul auf der Hundeausstellung in Lüttich endlich den ersten Idealtyp der seltenen Treibhundrasse ‚Tom‘. Wie damals üblich, machte Reul aber leider keine weiteren Angaben.

    Tom - Foto: Prof. Reul [1903]

    Der Richter Jos Loesberg schrieb anlässlich  einer Ausstellung im Botanischen Garten am 29.06.1919: „Diese uralte, absolut lokal begrenzte Rasse ist auf dem Weg der Zuchtauswahl. Ich appelliere an die Züchter der auf der Ausstellung gezeigten Hunde gegen die Tendenz des Typs eines Hütehundes (schön, feingliedrig, leicht) anzugehen. Der Bouvier des Ardennes muss rustikal, derb, mit schwerem Knochenbau, speckig und kraftvoll sein. Er muss einen abstoßenden Eindruck machen, scharf und unverträglich. Entschuldigen sie den Widerspruch, aber seine Schönheit ist seine Hässlichkeit […]. Ich sollte mich nicht mich nicht wiederholen, aber ein Bouvier muss rustikal sein, ein Hofhund vom Land, kein Wohnungshund und erst recht kein Hund für den Salon […].“

    Rom - Foto: Jos Loesberg [1913]

    Im Jahre 1913 gründeten einige Wallonische Liebhaber unter dem Vorsitz von Jos Loesberg die ‚Gesellschaft  zur Verbesserung der Zucht des Treibhundes aus der Provinz Lüttich und aus den Ardennen‘, die einen Standardentwurf erarbeitete. Ziel war die offizielle Anerkennung durch den belgischen Zuchtverband von Saint Hubert. Die endgültige Fassung des Standards wurde in Belgien im Jahre 1923 anerkannt.

    Die folgenden zehn Jahre war der Bouvier des Ardennes auf Ausstellungen präsent aber nicht häufig. Es gab einige Eintragungen in das Anhangregister des Belgischen Zuchtbuchs (LOSH). Der aktivste Züchter scheint demnach L. Colson aus Herstal gewesen zu sein.

    Belgischer Bouvier unbekannter Herkunft [1913]

    J.-P. Panèsi (Leistungsrichter aus Antwerpen) schrieb 1923 folgende interessante Passage: “Der Ardennsche Kuhhund hat dem Flandrischen gegenüber einen Vorteil. Ihm werden weder die Ohren noch der Schwanz abgeschnitten. Der Hund bleibt ganz, denn er hat natürliche Stehohren und eine natürliche Stummelrute. Der rauhaarige Treiber ist eine Rasse äußerst hoch begabter Hunde - mutiger, getreuer, gebrauchstüchtiger und verständiger als alle Kuhtreiber, die unsere Liebhaber haben. Eigentlich viel zu wenig gezüchtet, um ihn zu bekommen. Auf Ausstellungen sieht man maximal ein oder zwei Exemplare. Dass die belgischen Züchter sich nicht mehr um ihre nationale Rasse sorgen ist nicht zu begreifen. Es zeigt, dass viele Liebhaber alles tun und opfern, um eine fremde Rasse auf den ersten Rang zu bringen. Oft ist man der Meinung, dass die fremden Rassen in Belgien besser grünen und blühen als unsere eigenen Rassen. Lasst jede Rasse in ihrem Landstrich. Belgier nehmt die belgischen Rassen und seltener die fremden Rassen!”

    Champion Vision - Foto: Magazine Chasse et Pêche [21.11.1926]

    Ebenfalls 1923 bekam die Bouvier des Ardennes Hündin Vision den Championtitel verliehen. Die Zeitschrift für Jagd und Fischerei Chasse et Pêche vom 21 November 1926 veröffentlichte ein Foto von Vision [LOSH 17078]. „Champion Vision ist ein typischer Vertreter der Rasse Bouvier des Ardennes.” schrieb Louis Huyghebaert 1927: „Der Ardennsche Bouvier zeigt einen Hund vom Typ eines kleinen Bouvier. Es ist eine Übergangsform zwischen dem etwas lang gestreckten Schäferhund und dem schweren, gedrungenen Bouvier. Der Bouvier des Ardennes hat im Gegensatz zu anderen Bouviers natürlich getragene, unkupierte Stehohren und sieht dem rauhaarigen Schäferhund sehr ähnlich.“ 1948 fügte er hinzu: „Unglücklicherweise hinterließ diese Hündin, die 10 Jahre lebte und ein exzellenter Fährtenhund war, keinen Nachwuchs.“

    Amberloup - Landarbeit in den Ardennen

    Die beiden Weltkriege überlebten die Hunde zurückgezogen bei den Bauern, die sich nicht für Ahnentafeln interessierten. Auch in den französischen Ardennen wurden die Rinderhunde eingesetzt, denn es existierten Zuchtkontakte über die Grenze hinweg.

    Idealtyp - Foto: Yves Dambrain

    Nach dem zweiten Weltkrieg war der Zustand der Hunde alarmierend. Aber obwohl die Angaben über die Rasse sehr rar waren, erschien in der Zeitschrift De Hond im März 1948 ein Bericht voller Lob: „Die Bouvier des Ardennes sind sehr selten und es ist eine große Ausnahme, wenn man einen Vertreter auf einer Ausstellung antrifft. Dennoch war er ausreichend verbreitet und bekannt in unseren Ardennen. Es ist sehr bedauerlich, dass sich nicht ein paar seriöse Züchter finden, die diese liebenswerte Rasse so bekannt machen, wie die Belgischen Schäferhunde oder den Bouvier des Flandres. Der Bouvier des Ardennes ist wie der Bouvier des Flandres ein rustikaler Hund, gewohnt an das Leben im Freien und an schwere Arbeit, wie das Bewachen und Treiben von Vieh. Für einen Fremden sieht er barsch, rau und unangenehm aus. In einem Satz: Ein Hund mit außergewöhnlichem Charakter, für seinen Meister immer zur Stelle, ihn zu lieben und zu dienen. Seine Intelligenz lässt ihn seinem Herrn jeden Wunsch von den Augen ablesen. Er beweist, wie der Bouvier des Flandres seine Treue, indem er allzeit bereit ist, seinen Herrn zu verteidigen.“

    Kopfstudie Idealtyp - Foto: Yves Dambrain

    1948 entstand ein Film über das Leben eines Rindertreibhundes in Chooz (Wallonie): La herde (troupeau communautaire) à Chooz (1948) - Enquête du Musée de la Vie wallonne.

    Wegen der beiden Weltkriege wurde erst am 16.Juni 1963 von der FCI der den Text des belgischen Standards von 1923 veröffentlicht. Allerdings galt die Rasse bereits als ausgestorben. Aufgrund der fortschreitenden Industrialisierung verschwanden immer mehr Bauernhöfe in den Ardennen und mit ihnen die Milchkuhherden und die Rindertreibhunde. Doch wie ein geheimer Schatz gehütet, überlebten einige Zuchtstämme in den Ardennen und im Norden des Landes bei Anvers. Völlig unerwartet wurde die Rasse 1983 wieder entdeckt.

    Ab 1983 betreute Jean-Claude Michiels für den ‚Centre d’Economie rurale‘ die Viehzüchter in den Ardennen. Er erstellte Analysen der Colostralmilch von Kühen. Da er selbst Züchter der seltenen Rasse Berger de Picardie war, fielen ihm die ungewöhnlichen Hunde auf, die auf den Höfen ihre Arbeit verrichteten. Manche Bauern waren sich der Rasse bewusst, die meisten aber nicht. Seit sie sich zurückerinnern konnten, lebten solche mehr oder weniger typischen Exemplare der Ardennentreibhunde auf den Höfen. Michiels weckte in ihnen das Bewusstsein eine ganz besondere Hunderasse zu besitzen, die kurz vor dem Aussterben steht. So auch bei Joseph Guyot, in dessen Familie stets solche Hunde bei der Arbeit halfen. In ihm und seiner Familie fand er jemanden, der sein Interesse teilte und gezielte Zucht betrieb. Er machte außerdem den Malinoiszüchter, Leistungs- und Schaurichter Yves Dambrain auf seine Entdeckung aufmerksam.

    Um 1990 versuchten sie gemeinsam die Rasse zu fördern und publik zu machen. So wurden 1995 drei Hunde aus der Zucht von Joseph Guyot in Brüssel auf der Welthundeausstellung gezeigt. Der Belgische Dachverband Saint Hubertus brachte dafür extra eine Broschüre heraus, in der der Bouvier des Ardennes vorgestellt wurde. Diese Hunde wurden allerdings nie in das offizielle Zuchtbuch eingetragen. Später erhärtete sich der Verdacht, dass es sich dabei nicht um reinrassige Exemplare handelte, sondern um drei Nachkommen einer Verpaarung zwischen einer Bouvier des Ardennes-Hündin von Guyot und einem Picard-Rüden von Michiels. Nach einem Zerwürfnis drohte der Rasse abermals das Aus.

    Yves Dambrain aber hatte Feuer gefangen und durchkämmte zwei Jahre lang die Ardennen um die letzten Exemplare zusammenzusuchen. Jede freie Minute nütze er, um die Bauernhöfe abzuklappern. Fand er endlich einen rassetypischen Vertreter, wollten die Bauern ihren unentbehrlichen Mitarbeiter in den meisten Fällen natürlich nicht abgeben. So hieß es geduldig auf Nachkommen dieser Hunde zu warten.

    Familie Lhyer mit einem ihrer Bouvier des Ardennes - Foto: Yves Dambrain

    Die Familie von M. Lhuyer hat vier Generationen lang Rinderhunde nach eigenen Vorstellungen selektiert. Auf den folgenden Fotos sind zwei Hunde aus ihrer Zucht zu sehen.

    Bouvier des Ardennes mit Schlappohren - Foto: Yves Dambrain

    Bouvier des Ardennes mit Rosenohren - Foto: Yves Dambrain

    1996 entdeckte Yves Dambrain durch einen Hinweis erstaunlicherweise weitere Exemplare im flämischen Teil von Belgien bei Anvers.  Um 1930 war die Rasse durch den Umzug einer Landwirtschaft dorthin gebracht wurden. Die flämischen Viehtreiber und Schafhirten waren verwundert über deren herausragenden Leistungen beim Treiben der Herden. In aller Stille, aber  umsichtig und sachkundig, wurde die Zucht rasserein weitergeführt. Sie nennen ihre Hunde zum Andenken an ihre Herkunft Ardense Koehond.

    R'Totor de Fontenaille - Foto: Yves Dambrain

    Taga - Foto: Yves Dambrain

    Nur unter großen Schwierigkeiten konnte Yves Dambrain drei Hunde aus den Ardennen (R‘Totor, Tais, Diane) und eine Hündin aus Anvers (Taga) erwerben. Sie bildeten die Grundlage der Zucht. 1996 wurden nach vielen Jahrzehnten Pause endlich wieder Eintragungen in das Anhangregister des belgischen Zuchtbuches (RISH & LOSH) gemacht. Endlich wurde die Existenz einer tot geglaubten Rasse in der offiziellen Kynologie 1996 unter der FCI Nr.171 bekannt. Am 25.10.2000 veröffentlichte die internationale Dachorganisation einen von Dambrains sorgfältig überarbeiteten Rassestandard. Dessen langjährige Erfahrung als Züchter, Schaurichter von Belgischen Schäferhunden sowie Leistungsrichter im Belgischen Ringsport waren ein  großer Gewinn für die Wiedergeburt dieser Rasse.

    Rasseportrait von André Ackaert [2005]

    Um seine Hunde auch im Ausland bekannt zu machen, stellte Yves Dambrain sie auf  einer französischen Ausstellung vor. Dort wurde der Schäfer Philippe Haeyaert aus Domérat auf die Hunde aufmerksam und erwarb einige Exemplare. Er gründete den ersten französischen Zwinger ‚de la Bergerie Bourbonnaise‘.

    Olympe beim Rindertreiben - Foto: Philippe Haeyaert

    Über ihn fand die Rasse auch den Weg nach Deutschland. Und es war Liebe auf den allerersten Blick. Obwohl es über die seltene Rasse kaum Informationen gab, war mir absolut sicher, dass das die Hunde sind, die ich schon immer gesucht hatte. Ein kleiner Absatz  über die Ardennentreibhunde in einem Buch über den Bouvier des Flandres veranlasste mich im Februar 2006 nach Frankreich zu starten, um den allerersten Bouvier des Ardennes Bö de la Bergerie Bourbonnaise nach Deutschland zu holen. Mit Bö die dank ihrer exzellenten Arbeitsveranlagung die VPG3 und IPO 3 absolviert hat, begründete ich den ersten deutschen Zwinger der Rasse "Hasenhirsch".

    Mit acht Wochen reist Bö in einem Katzenkorb von Frankreich nach Deutschland.

    Als Yves Dambrain seine Zucht aus gesundheitlichen Gründen aufgeben muss, weiß er sofort wohin seine einzige Zuchthündin Estive du Maugré gehen soll. Am 11.11.2012 fiel in unserer Zuchtstätte mit Estive der erste Wurf der Rasse Bouvier des Ardennes auf deutschem Boden.

    Alpha, Anja und Alma sind eine Sensation.

    Während viele Hunderassen durch die Schönheitszucht zerstört wurden, hat der Bouvier des Ardennes in seiner gesunden, ursprünglichen Form bis heute überlebt. Totgesagte leben eben länger!

    Dipl. Biologin (Univ.) Kristin Oberhauser

     

    QUELLEN:

    persönliche Gespräche mit Yves Dambrain

    FCI Standard Nr. 171 / 05. 06. 2002 /D

    Yves Dambrain [Sillon Ardennais  05/04/02 ]

    Jean-Marie Vanbutsele ; [Bouvier des Ardennes, Brakel, Juli 2006]

    Patrick Bozzetto [www.bouvierdesardennes.com]

    Eva Maria-Krämer [Das deutsche Hundemagazin 11/99]

    Philippe Haeyaert [Son petit livre du bouvier des Ardennes / www.bouvierdesardennes.fr]

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