Hasenhirsch Edda - ein Rindertreibhund bei der Arbeit [Foto: Jérémie Dangotte]
Gedanken zum Hüteanlagentest mit Schafen
Der Bouvier ist ein Rindertreibhund, der in seiner belgischen Heimat auch Chien de vaches oder Koehond genannt wird. Am 1.Juli 1900 wurden Bouviers, unter der Kategorie Kuhhunde, zum ersten Mal in Belgien auf einer Ausstellung gezeigt, um einen einheitlichen Typ festzulegen. Bereits 1919 appellierte der Schaurichter Jos Loesberg an die Züchter, den Typ des Bouvier deutlich von dem des Berger abzugrenzen (JOS LOESBERG; 1919)[1]. Aber nicht nur äußerlich sind die Schläge zu unterscheiden, genauso wichtig ist es, das angeborene Verhaltensrepertoire zu erhalten, das einen gebrauchstüchtigen Bouvier ausmacht:
1) Trieb, um jederzeit Lust auf die für ihn bestimmten Aufgabe zu haben.
Hasenhirsch Edda strahlt, weil sie arbeiten darf [Foto: Jérémie Dangotte].
2) Selbstsicherheit, um den Rindern, die ein Vielfaches größer und schwerer sind als er selbst, dominant entgegenzutreten.
Hasenhirsch Edda drängt der Kuh ihren Willen auf [Foto: Jérémie Dangotte].
3) Belastbarkeit, um unangenehmen Erfahrungen, wie Angriffen der Rinder zu trotzen.
Hasenhirsch Edda läßt sich von den Hufen der Rinder nicht einschüchtern [Foto: Jérémie Dangotte].
Die Aufgabe eines Kuhhundes ist es, wie sein Name schon sagt, Rinder von einem Ort zum anderen zu treiben, nicht wie neuerdings angenommen, das Zusammenhalten und Lenken einer Schafherde. Dafür wurden im Herkunftsland Belgien nämlich spezielle Herdengebrauchshunde in vier Schlägen gezüchtet: der Malinois, der Tervueren, der Groenendael und der Laekenois. In Schottland wurde außerdem mit dem sensiblen und leicht lenkbaren Border Collie ein idealer Koppelgebrauchshund geschaffen. Durch seine Eigenschaft, nur mit dem Auge die Schafe in Schach zu halten, ist er mittlerweile unentbehrlich in der Schafhaltung und deshalb auf der ganzen Welt verbreitet.
Es stellt sich nun die Frage, ob ein Border Collie geeignet ist, Rinder zu treiben. Ich habe noch keine Kuh erlebt, die sich alleine durch Blicke lenken lässt! Im Gegenteil, ein Rind ist ein durchaus selbstbewusstes und aggressives Haustier, das nicht nur einen Border Collie, sondern auch alle anderen Hütehunde samt ihrem Besitzer mit Leichtigkeit in die Flucht schlagen kann. Ein Border Collie ist also grundsätzlich nicht als Rindertreibhund einsetzbar.
Warum soll ein Bouvier als Kuhhund Schafe hüten? Wer schon einmal einen Bouvier des Ardennes beim Rindertreiben erlebt hat, ahnt, dass dieser nicht den passenden Umgangston für Schafe an den Tag legt. Ein Bouvier des Ardennes übt viel Druck auf die zu treibenden Tiere aus. Durch seine Eigenschaft auch mal herzhaft zuzupacken, sind Schäden an den Wolltieren nicht ganz auszuschließen.
Hasenhirsch Anja nimmt Körperkontakt auf [Foto: Rainer Mayer].
Dass man mit einem Bouvier des Ardennes erfolgreich hüten kann, hat der französische Schäfer Philippe Haeyaert mehrfach in beeindruckender Weise bewiesen. Allerdings hat er seine Hunde zusätzlich auf die Tauglichkeit an Rindern überprüft! Ich halte es für äußerst bedenklich, einen Hütetest an Schafen als neues Zuchtkriterium für die Bouviers einzuführen. Sensible Exemplare würden dadurch unbewusst gefördert. Und das möchte wohl keiner unserer Bouvierliebhaber, von denen jeder Einzelne so stolz auf unsere Sturschädel ist. Unbedingte Zuchtkriterien für den Bouvier als Rindertreibhund dagegen sind die bereits oben genannten Eigenschaften: Trieb, Selbstsicherheit und Belastbarkeit, die bei jeder Schutzhundeprüfung eigens bewertet werden.
Hasenhirsch Edda läßt die Rinder nicht aus den Augen [Foto: Jérémie Dangotte]
Statt das Rad neu zu erfinden, ist es mein Bestreben, voller Erfurcht und Anerkennung auf das oberste Regelwerk unserer Bouviers, den Rassestandard zu blicken. Absolute Spezialisten, wie Yves Dambrain mit jahrzehntelanger Erfahrung in Ausstellungswesen, Hundesport und Hundezucht haben diesen mit größter Sorgfalt und Umsicht im Heimatland der Rasse erstellt.
Dipl.Biologin Kristin Oberhauser
Kühbach, den 10.12.2010; Alle Rechte vorbehalten © Kristin Oberhauser
[1] Jos Loesberg (1919); anlässlich einer Ausstellung im Botanischen Garten am 29.06.1919
Videos:
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